Kaiser Wilhelm II: Sado-Maso-Affäre mit Emilie Klopp?
Der Streit zwischen dem Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck und Kaiser
Wilhelm II. hat Generationen von Historikern beschäftigt. Bislang geheime Dokumente belegen
nun, dass eine Sex-Affäre den Sturz des Reichskanzlers mitverursacht haben könnte.
Die "Zeit" berichtet über Akten, die bis vor kurzem im Friedrichsruher Bismarck-Archiv unter
Verschluss lagen. Danach soll eine Straßburger Edelprostituierte namens Emilie Klopp,
Künstlername Miss Love, um 1888 den Kaiser erpresst haben. Sie verwies auf intime Briefe des
Monarchen, die darauf schließen lassen, dass Wilhelm II. sadomasochistisch veranlagt gewesen
sei.
Miss Love wendet sich mit ihrer Erpressung an Graf Wilhelm von Bismarck, Sohn des
Reichsgründers und königlicher Landrat in Hanau. Er kennt Emilie Klopp, hatte einst selbst
ihre Dienste in Anspruch genommen. Sofort erfasst er die Brisanz ihrer Schilderung - vor
allem, als die Frau von sechs Briefen berichtet, die der damalige Kronprinz Wilhelm an sie
geschickt hat.
Sie belegten nach Darstellung der Prostituierten "noch dazu in besonders pikanter
Form" den Charakter der Beziehung, schreibt Wilhelm von Bismarck an seinen Bruder Herbert,
damals Staatssekretär im Auswärtigen Amt. "Die L deutet an, dass in den Briefen ganz
eigentümliche Neigungen zu Komplikationen des gewöhnlichen Coitus bekundet wären, wie z.B.
Zusammenbinden der Arme."
Wilhelm ist sich sicher: "Diese Briefe sind eine Gefahr und können einen ungeheuren Skandal
auslösen." Schnell wird beiden klar, dass nur ein hohes Schweigegeld den Skandal verhindern
kann. 25.000 Mark (nach heutigem Wert eine halbe Million Mark) aus einem geheimen Fonds, so
schätzen die Brüder, werde man für den Erwerb der Briefe bezahlen müssen. Allerdings wissen
sie nicht, wie sie dem unberechenbaren Kaiser die Geschichte vortragen sollen.
Otto von Bismarck: Mitwisser der Love-Affair

Sie beschließen, ihren "lieben Papa" in die Affäre einzuweihen. Der gibt sich gelassen. "Dergl
ist den tugendhaftesten Monarchen in ihrer Jugend passiert", lässt er seine Söhne wissen. Auf
jeden Fall sollten die beiden den Kaiser informieren, bevor sie etwas unternehmen.
Am 28. November 1888 tritt Herbert mit der delikaten Angelegenheit zur Audienz bei Wilhelm II.
an. Der leugnet, wiegelt ab, beschwichtigt. "Nein, ich will gar nichts tun", bescheidet er den
Staatssekretär.
Die Bismarck-Brüder glauben allerdings nicht ihm, sondern Emilie Klopp, wollen aber die Sache
wie angeordnet auf sich beruhen lassen. "Wir haben unsere Pflicht getan", beschließen sie.
Doch wenig später meldet sich Miss Love erneut, fragt nach dem Stand der Dinge. Wilhelm von
Bismarck weist sie ab.
Drei Monate später wendet sie sich an den Generalstabschef Alfred Graf von Waldersee, einen
Vertrauten des Kaisers. Plötzlich kommt Bewegung in die Affäre. Zwar bestreitet Wilhelm II.
wieder alle Anschuldigungen, immerhin bestellt er aber Herbert von Bismarck erneut ein. Sein
Auftrag ist eindeutig: Der Staatssekretär soll die leidige Affäre aus der Welt schaffen.
"Versiegelt als 'ganz geheim' aufzubewahren"
Für 25.000 Mark wechseln die brisanten Briefe den Besitzer. Miss Love verpflichtet sich zu
Stillschweigen. Aber erst Jahre nach ihrem Tod im Juli 1894 verschwinden die Akten endgültig
im Geheimarchiv: "Auf Befehl Sr. Exzellenz des Herrn Chefs versiegelt als 'ganz geheim'
aufzubewahren."
Der öffentliche Skandal war damit vom Tisch, doch die Vertrauensbasis zwischen dem Kaiser und
den Bismarcks endgültig zerstört, so das Fazit des "Zeit"-Autors Volker Ullrich. Wilhelm II.
hatte mächtige und unliebsame Mitwisser seines Intimlebens. Der alte Bismarck fühlte sich in
seiner Einschätzung bestätigt, dass der junge Kaiser ein unfähiger und unsteter Hallodri ist.
Wenig später musste Otto abdanken, kurz darauf auch Herbert von Bismarck.
Die Briefe der Miss Love, die er Wilhelm II. ausgehändigt hatte, sind übrigens nie wieder
aufgetaucht.