NA SOWAS ABER AUCH...


Ob Telefonate, Faxe oder Mails:
Rund um den Globus fischen amerikanische Antennen nach Informationen


Ausschuss des Europaparlaments bestätigt die Existenz des weltweiten Abhörsystems "Echelon", findet aber keine Beweise für gezielte Wirtschaftsspionage

Von unseren Mitarbeitern Carsten Spieß und Tobias Döpker

Ein Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments präsentierte gestern seinen Bericht über das umstrittene globale Abhörsystem Echelon.
Wir sprachen mit dem Ausschuss-Berichterstatter und Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Gerhard Schmid, über die Ergebnisse.


Herr Schmid, sind Sie der Meinung, dass ein globales Abhörsystem, wie immer man es nennen mag, existiert?
GERHARD SCHMID:
Ich bin nicht der Meinung, ich weiß es. Wir können es im Sinne eines Indizienbeweises mit 99 -prozentiger Wahrscheinlichkeit beweisen. Jeder Richter würde das in einem Strafprozess als Beweis anerkennen.

Sie beziehen sich auf Echelon?
SCHMID:
Das bezieht sich auf die Existenz eines weltweit arbeitenden Abhörsystems für private und wirtschaftliche Kommunikation, die auf Satelliten gestützt ist. Das können wir klar zeigen, das kann niemand mehr wegreden.

Von wem wird es betrieben?
SCHMID:
Das weltweite Abhörsystem wird betrieben von den Vereinigten Staaten von Amerika, von Großbritannien, von Kanada, Australien und Neuseeland. Das hat seine historischen Wurzeln im Zweiten Weltkrieg.



Gibt es noch weitere globale Abhörsysteme, zum Beispiel russische oder französische?
SCHMID:
Wir haben in dem Ausschuss sehr streng nach der Regel gearbeitet, was wir nicht sicher beweisen können, behaupten wir nicht. Im Falle Frankreichs können wir zeigen, dass Frankreich als einziger EU-Staat in allen dazu notwendigen Teilen der Welt eigenes Territorium besitzt, um Abhörstationen betreiben zu können. Weiter wissen wir, dass Frankreich das Abhören technisch kann. Ob es ein weltweites System betreibt, wissen wir nicht sicher. Und bei den Russen haben wir Hinweise, dass es Stationen in Vietnam und in Kuba gibt, aber auch da gibt es keinen exakten Beweis.



Die Bundesregierung hat der Überwachungsanlage in Bad Aibling eine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt. Sind sie sicher, ob von dort nicht auch durch die USA Echelon betrieben wird?
SCHMID:
Wenn man zivile Satellitenkommunikation abhören will, dann braucht man Antennen einer bestimmten Größe, heutzutage nicht unter 15 Meter. Es findet sich keine Satellitenantenne dieser Größe auf dem Gelände in Bad Aibling. Daraus ziehe ich den Schluss, dass zumindest Satellitenkommunikation dort nicht abgehört wird. Wir haben Hinweise, dass dort eine Bodenstation für Spionagesatelliten ist.

Welche Aufgaben hat Echelon?
SCHMID:
Es gibt eine Menge Tätigkeitsbereiche, wo strategische Fernmeldekontrolle des internationalen Fernmeldeverkehrs für Nachrichtendienste Sinn macht, wenn es beispielsweise um Drogenhandel, internationale organisierte Kriminalität oder um die Verfolgung der Einhaltung von Embargoregeln geht. Das machen andere Dienste - wie der BND - auch. Daran sehe ich auch nichts Schlimmes. Es wird ein Problem, wenn ein Nachrichtendienst Wirtschaftsinformationen eines Unternehmens im Detail abhört und diese dann einem Konkurrenzunternehmen im eigenen Land zuspielen würde. Das war der eigentliche Vorwurf. Dafür haben wir aber keinen exakten Beweis.

Darüber gibt es immer wieder Gerüchte. So soll Airbus 1994 bei einem sechs Milliarden Dollar-Geschäft das Nachsehen gegenüber MC Donald Douglas gehabt haben, weil die NSA (National Security Agency) die Finger im Spiel hatte?
SCHMID:
Das ist richtig. In diesem Fall hat die NSA Bestechung aufgedeckt. Die Amerikaner sagen ja klipp und klar, wir hören Kommunikation ab, wenn wir den Verdacht haben, dass Bestechung im Spiel ist, weil ihr Europäer bestecht, um Aurträge zu kriegen. In diesem Fall war es offenbar so.

Aber konkrete Beweise für gezielte Wirtschaftsspionage via Echelon haben sie nicht?
SCHMID:
Es gibt keinen einzigen belegten Fall, es gibt die Aussage des ehemaligen CIA-Direktors, dass sie im Detail spionieren, wenn es um die Abwehr von Korruption und Bestechung geht. Aber er sagt, wir geben diese Informationen den eigenen Firmen nicht, das kann man glauben oder nicht.

Können auch Privatbürger grundsätzlich von Echelon abgehört werden?
SCHMID:
Das System hat nur Zugriff auf Kommunikation, die über Satellit läuft, das meiste läuft heute über Glasfaserkabel, auf die können Staaten nur dort zugreifen, wo die Kabel aus dem Meer rauskommen und in ihrem Land anlaufen. Außerdem können die Millionen von Faxen, Mails und Telefongesprächen nicht alle ausgewertet werden. Man lässt das mitgeschnittene Material über eine Suchmaschine laufen, die es nach bestimmten Suchbegriffen aussortiert. Ein Suchbegriff kann ein bestimmter Telefonanschluss ein, es können Begriffe sein, die mit dem Gegenstand, den man entdecken will, zu tun haben. Worterkennung ist bis heute nicht möglich.
Das alles begrenzt die Möglichkeiten. Dass ein Privater reinrutscht, ist eher unwahrschein- lich, aber nicht ausgeschlossen.

Wie können sich dann Privatpersonen gegen eine mögliche Überwachung schützen?
SCHMID:
Verschlüsseln! Das gilt insbesondere für Faxe und E- Mails. Im Internet sind ja sogar schon effiziente Systeme kostenlos verfügbar. Was wir gerne hätten, ist, dass diese Software wesentlich anwenderfreundlicher wird. Außerdem müsste Ver- schlüsselungssoftware als Open-Source-Software entwickelt werden, damit man genau weiß, wie das Programm funktioniert, und keine Hintertür eingebaut ist.

o Verschlüsseln, gilt das auch für global agierende Firmen?
SCHMID:
Ja sicher. Wenn ich weiß, dass es Risiken gibt, dann muss ich mich schützen.

Sie haben für ihren Bericht fast ausschließlich auf öffentlich zugängliches Material zurückgreifen müssen, da sich Geheimdienste und Regierungen bedeckt gehalten haben. Großbritannien hat sogar die Entsendung eines Vertreters in den Ausschuss verweigert. Ist ihre Arbeit von "obersten Stellen" blockiert worden?
SCHMID:
Die Kooperationsbereitschaft von Regierungen mit Parlamenten ist, wenn es um Geheimdienste geht, ohnehin nicht sehr ausgeprägt. Bei Großbritannien kommt dazu, dass die landesübliche Auffassung ist, Geheimdienste sind nationale Angelegenheit und gehen andere in Europa nichts an. Von dieser Sichtweise her hatte der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollausschusses im britischen Parlament Schwierigkeiten, nach Brüssel zu kommen. Wir sind dann nach London gefahren und haben ihn dort gesehen.

Glauben Sie, dass Sie während ihrer Echelon-Recherche abgehört worden sind?

SCHMID:
Ich glaube nicht, denn bei allen öffentlichen Sitzungen waren auch immer Diplomaten aus der amerikanischen Botschaft anwesend. Aber es ist mir auch egal.