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So ist das Leben eines Super-Bowl-Champions. Voller Gefahren. Nur zwei Teams der
90er Jahre konnten erfolgreich den Titel verteidigen - die Denver
Broncos und die Dallas Cowboys. Die letzten beiden Champions, St. Louis und Baltimore, waren
Teams, auf die vor Saisonbeginn nur die wagemutigsten oder verzweifeltesten Wetter in Vegas
gesetzt hatten. Das Leben auf dem Gipfel der NFL ist nicht nur einsam, sondern auch sehr
gefährlich.
"Wir tragen diese Saison eine Zielscheibe auf dem Rücken", weiß Baltimores Head Coach Brian
Billick natürlich um die besondere Schwere der gestellten Aufgabe, nämlich den Titel
erfolgreich zu verteidigen.
Die Haifische im Becken, die nach Baltimore schnappen, sind nicht nur die Gegner. "Salary
Cap", durch den Titelgewinn gewachsene Egos oder eine aufgekommene Sättigung, vielleicht gar
Behäbigkeit, sind weitere Gefahren, die Baltimore diese Saison bekämpfen muss.
Zudem will der Champion mit neuem System den Titel verteidigen. Elvis bestimmt
fortan den Ton bei den Ravens.
Elvis Grbac, die wichtigste Neuverpflichtung der Ravens, ersetzt Trent Dilfer auf der Position
des Quarterback. "Dass Grbac der feste Starter ist, erleichtert unsere Situation", sagt Tony
Siragusa in Anspielung auf die letzte Saison, als Trent Dilfer zur Saisonmitte den
ineffizienten Tony Banks ablöste. "Wenn Grbac punktet, freut uns das höllisch. Und wenn wir
nicht mehr so viel auf dem Feld stehen müssen, dann freut uns das noch mehr. Bislang macht er
(Grbac) einen guten Eindruck. Er benimmt sich wie ein Profi."
Während Banks über die Armkraft verfügte, den Ball auch diagonal auf nahezu jede Position im
Feld zu spielen, vertraute der physisch schwächere Dilfer letzte Saison auf kurze Pässe über
die Mitte.
"Elvis (Grbac) kann beides, er ist sozusagen eine Fusion der besten Eigenschaften
von Trent und Tony", sagt Head Coach Brian Billick. "Trent hätte mehr zeigen können, aber
letzte Saison mussten wir (mit der Offense) nicht mehr tun. Elvis ist das komplette
Paket."
Unbestritten verfügt der aus Kanas City kommende Grbac über weitaus mehr spielerische
Möglichkeiten als Dilfer. Doch Dilfer gewann letzte Saison elf seiner zwölf Einsätze,
inklusive eines kleinen Spiels Ende Januar in Tampa. Daran wird Grbac gemessen werden.
Und Billick muss entscheiden, ob er mit Elvis Grbac mutiger angreifen will oder weiter auf
eine Defense vertraut, die in den letzten 37 Spielen gegen keinen
einzigen Running Back 100 Lauf-Yards abgegeben hat und durch die
Baltimore in den Playoffs eine atemberaubende Bilanz von 95:23
Punkten erspielte.
"Letzte Saison war unser Coach schlau, denn er hat den Ball flach gehalten",
sagte ein Ravens-Angestellter gegenüber CNN. Doch Billick machte sich seinen Namen als
Offensive Coordinator. Mit einem Quarterback wie Grbac wird es Billick schwer fallen,
weiterhin mit angezogener Handbremse anzugreifen.
Die Offense wird zudem verstärkt durch Travis Taylor, den wieder genesenen "Nummer
1 Pick" der vergangenen Saison. Billick hofft, dass Taylor den
Veteran Qadry Ismail verdrängen kann. Rookie Tight End Todd Heap (Arizona State) galt als
bester College-Spieler auf seiner Position und sollte reichlich Feldzeit bekommen. Mit General
Manager Ozzie Newsomne, in den 70er und
80er Jahren einer der besten TEs in der NFL, und Pro Bowler Shannon
Sharpe schulen ihn nicht die schlechtesten Lehrer.
Die Defense, die schon jetzt in einem Atemzug mit Pittsburghs "Steel Curtain", der "Doomsday
Defense" der Cowboys oder Chicagos legendärer "46"-Verteidigung
genannt wird, geht personell nahezu unverändert in die Saison. Zehn der elf Stammspieler
wurden gehalten. Zudem blieb Defensive Coordinator Marvin Lewis in Baltimore, nachdem ihn
seltsamer weise kein NFL-Klub als Head Coach anheuerte.
Jon Krakauer schildert in seiner Dokumentation einer Expedition auf den Mount Everest, wie
einer der Bergsteiger morgens schlaftrunken aus dem Zelt krabbelt, dabei vergißt, die
Steigeisen vorher anzuziehen, sofort über die Klippe schlittert und in den Tod stürzt.
Ähnlich gefahrvoll ist das Leben in der dünnen Luft auf dem Gipfel der NFL.