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Team Portrait der Baltimore Ravens


Vom gefährlichen Leben eines Champions

Jamal Lewis fallt fur den Rest der Saison aus, Chancey (r.) will ihn ersetzen

München/Baltimore - Ein einziger lausiger Spielzug, keine fünf Sekunden dauerte das, und schon war der zweitwichtigste Sommerabschluss der Baltimore Ravens abgeschossen, eine Millionen- Dollar-Investition vorerst in den Sand gesetzt. Beim ersten Play eines Trainingsspiels des amtierenden Super-Bowl-Champions riss sich Offensive Tackle Leon Searcy, den die Ravens gerade von den Jacksonville Jaguars abgeworben hatten, den Trizeps im linken Arm. Der 31 -jährige Searcy, der Harry Swayne auf der Linie verdrängen sollte, wird zehn bis zwölf Wochen ausfallen.

Monatelang hatte man verhandelt, Telefonate geführt, war etliche Male von Baltimore nach Jacksonville geflogen, hatte schließlich sehr viel Geld auf den Tisch gelegt, doch mit dem Riss einer nur Millimeter breiten Sehne verpuffte all die aufgebrachte Energie ins Nichts des NFL-Nirvanas.
Kurz vor Erscheinen dieser Geschichte verletzte sich nun auch Jamal Lewis. Momentan sieht alles danauch aus, dass Lewis für den Rest der Saison ausfallen wird.



Das Leben auf dem NFL-Gipfel - einsam und gefährlich

So ist das Leben eines Super-Bowl-Champions. Voller Gefahren. Nur zwei Teams der 90er Jahre konnten erfolgreich den Titel verteidigen - die Denver Broncos und die Dallas Cowboys. Die letzten beiden Champions, St. Louis und Baltimore, waren Teams, auf die vor Saisonbeginn nur die wagemutigsten oder verzweifeltesten Wetter in Vegas gesetzt hatten. Das Leben auf dem Gipfel der NFL ist nicht nur einsam, sondern auch sehr gefährlich.
"Wir tragen diese Saison eine Zielscheibe auf dem Rücken", weiß Baltimores Head Coach Brian Billick natürlich um die besondere Schwere der gestellten Aufgabe, nämlich den Titel erfolgreich zu verteidigen.

Die Haifische im Becken, die nach Baltimore schnappen, sind nicht nur die Gegner. "Salary Cap", durch den Titelgewinn gewachsene Egos oder eine aufgekommene Sättigung, vielleicht gar Behäbigkeit, sind weitere Gefahren, die Baltimore diese Saison bekämpfen muss.


Elvis gibt den Ton in Baltimore an

Zudem will der Champion mit neuem System den Titel verteidigen. Elvis bestimmt fortan den Ton bei den Ravens.

Elvis Grbac, die wichtigste Neuverpflichtung der Ravens, ersetzt Trent Dilfer auf der Position des Quarterback. "Dass Grbac der feste Starter ist, erleichtert unsere Situation", sagt Tony Siragusa in Anspielung auf die letzte Saison, als Trent Dilfer zur Saisonmitte den ineffizienten Tony Banks ablöste. "Wenn Grbac punktet, freut uns das höllisch. Und wenn wir nicht mehr so viel auf dem Feld stehen müssen, dann freut uns das noch mehr. Bislang macht er (Grbac) einen guten Eindruck. Er benimmt sich wie ein Profi."
Während Banks über die Armkraft verfügte, den Ball auch diagonal auf nahezu jede Position im Feld zu spielen, vertraute der physisch schwächere Dilfer letzte Saison auf kurze Pässe über die Mitte.


Grbac ist ein Fusion von Dilfer und Banks

"Elvis (Grbac) kann beides, er ist sozusagen eine Fusion der besten Eigenschaften von Trent und Tony", sagt Head Coach Brian Billick. "Trent hätte mehr zeigen können, aber letzte Saison mussten wir (mit der Offense) nicht mehr tun. Elvis ist das komplette Paket."

Unbestritten verfügt der aus Kanas City kommende Grbac über weitaus mehr spielerische Möglichkeiten als Dilfer. Doch Dilfer gewann letzte Saison elf seiner zwölf Einsätze, inklusive eines kleinen Spiels Ende Januar in Tampa. Daran wird Grbac gemessen werden.

Und Billick muss entscheiden, ob er mit Elvis Grbac mutiger angreifen will oder weiter auf eine Defense vertraut, die in den letzten 37 Spielen gegen keinen einzigen Running Back 100 Lauf-Yards abgegeben hat und durch die Baltimore in den Playoffs eine atemberaubende Bilanz von 95:23 Punkten erspielte.


Schlauheit bewiesen, den Ball flach gehalten

"Letzte Saison war unser Coach schlau, denn er hat den Ball flach gehalten", sagte ein Ravens-Angestellter gegenüber CNN. Doch Billick machte sich seinen Namen als Offensive Coordinator. Mit einem Quarterback wie Grbac wird es Billick schwer fallen, weiterhin mit angezogener Handbremse anzugreifen.
Die Offense wird zudem verstärkt durch Travis Taylor, den wieder genesenen "Nummer 1 Pick" der vergangenen Saison. Billick hofft, dass Taylor den Veteran Qadry Ismail verdrängen kann. Rookie Tight End Todd Heap (Arizona State) galt als bester College-Spieler auf seiner Position und sollte reichlich Feldzeit bekommen. Mit General Manager Ozzie Newsomne, in den 70er und 80er Jahren einer der besten TEs in der NFL, und Pro Bowler Shannon Sharpe schulen ihn nicht die schlechtesten Lehrer.

Die Defense, die schon jetzt in einem Atemzug mit Pittsburghs "Steel Curtain", der "Doomsday Defense" der Cowboys oder Chicagos legendärer "46"-Verteidigung genannt wird, geht personell nahezu unverändert in die Saison. Zehn der elf Stammspieler wurden gehalten. Zudem blieb Defensive Coordinator Marvin Lewis in Baltimore, nachdem ihn seltsamer weise kein NFL-Klub als Head Coach anheuerte.

Jon Krakauer schildert in seiner Dokumentation einer Expedition auf den Mount Everest, wie einer der Bergsteiger morgens schlaftrunken aus dem Zelt krabbelt, dabei vergißt, die Steigeisen vorher anzuziehen, sofort über die Klippe schlittert und in den Tod stürzt.
Ähnlich gefahrvoll ist das Leben in der dünnen Luft auf dem Gipfel der NFL.


Thomas Hackbarth

Quelle: SPORT1.de

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