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Das internet aus der Steckdose macht trotz Hürden Fortschritte - Siemens steigt aus, RWE und MVV wollen noch in diesem Jahr den Markt erobern.
Vor einem Jahr verkündeten etliche Energieversorger euphorisch ihre Zukunftspläne: Das Internet aus der Steckdose sollte schon im Jahr 2001 für viele Verbraucher Wirklichkeit werden. Nun sind die Tone etwas leiser geworden, da die Entwicklung nicht so schnell voranschreitet wie erwartet. Doch für jene, die durchgehalten haben, scheint die flächendeckende Markteinfuhrung realistischer geworden.
Es waren die Badener, die als erste in der so genannten Powerline Communication
(PLC) aktiv wurden. Der Karlsruher Stromversorger EnBW (Energie Baden-Württemberg) begann
schon 1998 mit seinem ersten Feldversuch. Die MW Energie AG, RWE und nun auch die Eon-Tochter
Oneline zogen nach. Das letztes Jahr von EnBW verkündete Ziel, schon 2001 flächendeckend in
Baden-Württemberg tätig zu sein, wurde revidiert. "Wir sind vorsichtiger mit unseren Prognosen
geworden", gesteht der EnBW-Sprecher ein, "denn andere Übertragungstechniken wie ADSL sind
inzwischen entwickelt worden."
Zwar bietet auch die von der Deutschen Telekom vorangetriebene ADSL-Technik eine schnelle
Intemetleitung, doch ein wesentlicher Vorteil der Powerline ist die ständige Verfüg-barkeit:
Das lästige Einwählen entfällt, der Verbraucher ist praktisch ständig online mit einer etwa
20 mal schnelleren Geschwindigkeit als ISDN. Zudem können die Endgeräte an jede Steckdose
angeschlossen werden.
Dass über Stromleitungen auch Daten übermittelt werden können, ist schon lange bekannt. Das Babyphone und die Wechselsprechanlage basieren auf derselben Technik. Bei der PLC reisen die Daten huckepack über das Stromnetz von einer Trafostation in die Häuser. In dem Trafo werden die Signale auf das Netz aufgesattelt und von einem Empfanger im Haus herausgefiltert beziehungsweise von dort entsandt. Ein Modem an der Steckdose dient dann als letztes Verbindungsstück zu den Endgeräten. Im intelligenten Haus der Zukunft sollen so die Heizung oder die Kaffeemaschine auf der Heimfahrt vom Skiurlaub per Handy angeschaltet werden.
Die letzten Meter des schnellen Netzes bereiteten den Entwicklern jedoch
Schwierigkeiten;
Ungewollt senden die Daten Signale aus, die Mittel- und Kurzwellensender oder Amateurfunker
stören können. Eine Lösung des Problems, die der PLC-Experte Klaus Dostert von der Universität
Karlsruhe schon vor Jahren vorschlug, besteht darin, die Abstrahlungsfrequenzen in der Breite
so niedrig zu halten, dass niemand gestört wird. Genau dies tun die Unternehmen heute
zumindest jene, die im Geschäft bleiben: Die Siemens AG, die als EnBW-Partner vor wenigen
Tagen aus der Powerline-Technik ausgestiegen ist, ließ hingegen auf einem schmalen
Frequenzbereich eine starke Abstrahlung zu. Zwar nennt Siemens offiziell die Verzögerung bei
der Markteinführung und den hohen Personalbedarf an anderen Stellen als Gründe für den
Ausstieg, doch tatsächlich dürfte die mit der Regulierungsbehörde kollidierende Technik den
Ausschlag gegeben haben.
Schon seit Jahren warten die Unter-nehmen, die im Moment mit einer Test-Genehmigung arbeiten, nämlich auf die endgültige Genehmigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), um die rechtliche Sicherheit für den Betrieb zu haben. "Die Sicherheit werden sie nicht bekommen," erklärt der RegTP-Sprecher, "die Unternehmen sind eh für den Betrieb verantwortlich." Es bedürfe keiner weiteren Genehmigung; wenn die Grenzwerte eingehalten werden, dann stünde einer Markteinführung nichts im Wege.
Ohne diese Sicherheit, dass niemand anderes dieselben Frequenzen nutzt, ist der Betrieb jedoch zu riskant für das Unternehmen."Wenn die Regulierungsbehörde eine Genehmigung erteilt, müsste sie die Einhaltung der Grenzwerte auch kontrollieren, das kann sie personell nicht leisten", versucht Experte Dosiert deren Zurückhaltung zu erklären. Ob auch die Verbundenheit der Behörde mit dem Post Abkömmling Telekom ein Hinderungsgrund ist, der Powerline keinen Vorschub zu leisten, mag der Telekom-Sprecher weder bestätigen noch verneinen.
Trotz aller Hürden geben sich die verbliebenen Powerline-Unternehmen
optimistisch.
"500.000 Kunden werden wir innerhalb der nächsten drei Jahre in Deutschland und Österreich
gewinnen", kündigt die MW an, die nach eigener Angabe Powerline über ein im Dezember
gegründetes und mit 15 Millionen DM Eigenkapital ausgestattetes Joint Venture bundesweit
anbietet und bereits Verträge zur Belieferung von Endkunden mit fünf Netzbetreibern ge-
schlossen hat.
Mit 15 anderen werde zurzeit verhandelt. Beliefert würden die Kunden mit der Technologie noch in diesem Jahr. Ebenso wie der Essener Energiekonzem RWE, dessen Partner Ascom jetzt auch EnBW mit Hardware versorgt, rechnet sich die MW einen Marktanteil von 10 Prozent aus, investiert werden sollen 70 Millionen DM bis 2003. EnBW und Oneline geben zwar keine präzisen Prognosen ab, sind sich aber sicher, demnächst mit ihrem Produkt auf den Markt gehen zu können.